Mehr klinische Fachexpertise bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln

AWMF fordert mehr klinische Fachexpertise bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln

Düsseldorf – Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
e.V.) sieht Verbesserungsbedarf bei der frühen Nutzenbewertung von
Arzneimitteln. Das seit 2011 gültige Verfahren im Rahmen des
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetztes (AMNOG) weist Mängel auf. Ein
besonderer Kritikpunkt ist die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)
festgelegte Vergleichstherapie, die nicht immer mit dem aktuellen
medizinischen Standard übereinstimmt. Die AWMF zeigt jetzt in einer
Stellungnahme Vorschläge zur Verbesserung des Verfahrens auf. Sie mahnt
zudem erneut, die medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften
enger in die Nutzenbewertung einzubinden.

In
der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erkennt die AWMF ein
sinnvolles Instrument, um Qualität und Wirtschaftlichkeit der
Gesundheitsversorgung zu fördern. Entgegen bisherigen Annahmen verfehlt
das AMNOG Verfahren jedoch bislang dieses Ziel. Gemeinsam mit 13
Mitgliedsfachgesellschaften gründete die AWMF deshalb im September 2014
die Arbeitsgruppe „Frühe Nutzenbewertung“. Die AG schlägt jetzt sieben
konkrete Punkte vor, um das Verfahren der frühen Nutzenbewertung von
Arzneimitteln zu verbessern.

Danach
sollte der G-BA schon bei der Wahl der Vergleichstherapie unabhängige
klinische Fachexperten anhören. „Für eine differenzierte Beurteilung des
Nutzens sind zusätzliche klinische Informationen unerlässlich, die den
Studien nicht zu entnehmen sind“, erläutert der Vizepräsident der AWMF,
Professor Dr. med. Dr. med. dent. Wilfried Wagner aus Mainz. Die Auswahl
der Fachexperten könnte die AWMF koordinieren. Derzeit finden bisweilen
Vergleiche mit Arzneimitteln statt, die in den aktuellen
evidenzbasierten Leitlinien der Fachgesellschaften gar nicht empfohlen
werden. „Die Berücksichtigung des aktuellen Stands des Wissens und
vorhandener Leitlinien ist eine unerlässliche Voraussetzung für die
möglichst präzise Bestimmung des patientenrelevanten Zusatznutzens neuer
Arzneimittel“, betont Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Medizinischer
Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische
Onkologie, und Mitglied der AG „Frühe Nutzenbewertung der AWMF. Und
dieses gilt nicht nur für den G-BA oder das jeweils bewertende Institut
sondern auch für die pharmazeutischen Hersteller.

Ebenfalls
zu Beginn des Verfahrens, bei der Wahl der Therapieziele, müssten neben
den klinischen Fachexperten vor allem Patientenvertreter in die
Entscheidungen einbezogen werden. Verbesserungschancen sieht die AWMF
nicht nur bei den Vergleichstherapien und den Therapiezielen: Optimieren
ließe sich auch der Umgang mit Informationen von Untergruppen von
Patienten, die von dem neuen Medikament profitieren könnten. Aus solchen
Untergruppen gewonnene Ergebnisse müssten sich in der Regel erst in
weiteren Studien erhärten. Das Verfahren zur Nutzenbewertung von
Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen, den Orphan Drugs,
unterliegt zudem weit weniger scharfen Kriterien als für reguläre
Arzneimittel. Hier schlägt die AWMF vor, dass der G-BA gemeinsam mit den
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften die
Bewertungsmethoden überprüft und bei Bedarf anpasst. Die AWMF sieht
darüber hinaus dringenden Bedarf für eine europäische Harmonisierung der
Kriterien für Nutzenbewertungen und der Anforderungen für
Zulassungsverfahren.

Durch
eine enge Einbindung der medizinischen wissenschaftlichen
Fachgesellschaften lässt sich gewährleisten, dass Leistungserbringer und
vor allem Patienten und ihre Angehörigen die Entscheidungen zur frühen
Nutzenbewertung akzeptieren.

Auf der Webseite der AWMF finden Sie die vollständige „Stellungnahme der AWMF zum Verfahren der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln
nach §35a SGBV und aufgrund des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes
(AMNOG) von 2010“

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt
sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 168
medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit
dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der
ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF
seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im
wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner
für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen
Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung
medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede
gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden,
sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF
finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.