Individualisierte Medizin vor dem Aus

Nürnberg, Wien, Stuttgart (pts/04.07.2005/13:17) –

• Leitlinien dürfen individualisierte Therapien nicht behindern

• Die Freiheit des Arztes in der Behandlung muss gestärkt werden

Die individualisierte Medizin ist ein heißes Eisen und entsprechend
umstritten, wie sich beim jüngsten Symposium der Novartis-Stiftung für
therapeutische Forschung in Nürnberg unter dem Titel
"Patientenorientierte Therapieprinzipien – ist individualisierte
Medizin vorstellbar?" herausstellte. Zwar befürworten fast alle Ärzte
eine Heilkunst, die den Patienten als Menschen mit individuellen
genetischen, körperlichen und seelischen Voraussetzungen begreift. Doch
realistisch betrachtet können Ärzte derzeit allenfalls bestimmte
Patientengruppen mit ähnlichen Voraussetzungen herausfiltern und nach
dieser Maßgabe behandeln – etwa Ältere und Jüngere oder Frauen und
Männer. Derlei "individuelle Medizin brauchen wir dringend", mahnte der
Münchener Psychiater Professor Hans Förstl.

Inwieweit der Kostendruck im Gesundheitswesen die weitere Entwicklung
der individualisierten Medizin beeinträchtigt, darüber herrscht derzeit
keine Einigkeit. Der Berliner Nierenspezialist Professor Hans-H.
Neumayer sieht die heutige "Medizin von der Stange" deutlich
begünstigt, wie er es formulierte. Dabei basiert die qualitative
Verbesserung durch evidenzbasierte Medizin darauf, individuelle
klinische Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus
systematischer Forschung zu kombinieren. Dazu zählen auch das Können
und die Urteilskraft, die die Ärzte durch ihre Erfahrung und klinische
Praxis erwerben. Mitunter aber widersprechen sich die Bestrebungen zur
Individualisierung der Medizin und die Interpretation der
"evidenzbasierten Medizin", die Politik, Kostenträger und Teile der
Ärzteschaft seit einigen Jahren verfolgen. Kernpunkt: Nur was
nachweislich im Sinne aufwändiger Studien für möglichst viele Patienten
taugt, zieht ein in die Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften und
die Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von
Ärzten und Krankenkassen. "Dass die Väter der evidenzbasierten Medizin
auch individuelle Aspekte einzelner Patienten im Auge hatten, wird
vergessen", kritisierte der Hamburger Dermataloge Professor Matthias
Augustin. So verhindern die an möglichst einheitlichen Patientengruppen
getesteten Therapienormen und die daraus folgenden Reglementierungen
eine individuellere Behandlung – "und in vielen Fällen die beste
Therapie", wie Augustin erklärte.

Trotz nötiger und – vermeintlich – allgemein gültiger Evidenz brauche
der Arzt Spielräume, um die Behandlung an die Situation des einzelnen
Patienten anzupassen. Dies sei ein wichtiger Schritt zu einer
individualisierten Medizin, die nicht nur Gruppen, sondern einzelne
Patienten im Blick hat. "Auch muss wieder das Vertrauen in die
Erfahrung und Entscheidungskraft des einzelnen Arztes wachsen", so
Augustin. Hier muss also die Freiheit des Arztes bei der Behandlung
wieder einen höheren Stellenwert erhalten.

In diesem Punkt stimmte sein Erlanger Kollege und
Bluthochdruck-Spezialist Professor Roland Schmieder zu und
verdeutlichte die Ebenen individueller Medizin – angefangen bei den von
Medien oder Freunden geprägten Erwartungen des Patienten über
Diagnostik und Therapie bis hin zur Versorgungsforschung. "Gerade da
haben wir einige moderne Ansätze", sagte Schmieder. Manche Patienten
wollen selbst ihre Therapie mit bestimmen, manche wollen strikt
angeleitet werden. Andere brauchen Schulung – nicht nur durch den
zeitlich meist sehr eingespannten Arzt, sondern auch durch
Krankenschwestern und Arzthelferinnen, "die oft eher die Sprache der
Patienten sprechen als wir selbst." Schmieder forderte den Einsatz
vonVerfahren, wie z.B. speziellen Patienten-Fragebögen, um die
Bedürfnisse des Einzelnen rasch und einfach in Erfahrung zu bringen.

Wichtig schon bei der Diagnostik: Die Vorgeschichte des Patienten genau
zu erfassen, seine Begleiterkrankungen, seine Erfahrungen mit früheren
Behandlungsmethoden: "Das ist hoch individuell; danach müssen wir die
Therapie für den Einzelnen abstimmen." Inwieweit die Analyse
individueller Genprofile die Diagnostik generell revolutioniert, bleibt
unklar. Angesichts von Abermillionen Genvarianten zeigte sich die
Berliner Kardiologin Professor Vera Regitz-Zagrosek skeptisch: "Da
waren die Erwartungen zu hoch.". Allerdings setzen Krebsmediziner schon
jetzt individuelle Gentests ein, um etwa vorherzusagen, "bei welchen
Patienten bestimmte HighTech-Medikamente wirken und bei welchen nicht",
unterstrich der Mannheimer Onkologe Professor Andreas Hochhaus. Dieser
Trend werde sich in den kommenden Jahren verstärken.

Therapeutisch gesehen gilt heute und auch in Zukunft: Je mehr
Medikamente für die Therapie einer Krankheit verfügbar sind, umso
individueller lässt sie sich behandeln.

Über die Novartis Stiftung für therapeutische Forschung

Die Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung in Nürnberg gehört
zu den ältesten und größten Unternehmensstiftungen in Deutschland. Die
Stiftung verfügt über ein Stammkapital von 12 Millionen Euro. Die
Förderaktivitäten werden aus den Zinserträgen dieses Kapitals
bestritten und belaufen sich gegenwärtig auf jährlich etwa 650.000
Euro. Der Hauptteil der Fördermittel fließt in die Unterstützung von
Forschungsprojekten, des weiteren finanziert die Stiftung
Graduiertenstipendien an zehn deutschen Universitäten zur Förderung
besonders qualifizierter junger Wissenschaftler. In zweijährigem Turnus
veranstaltet die Stiftung interdisziplinäre Symposien zu Themen aus der
medizinischen Grundlagenforschung.

Mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln will – und kann – die
Stiftung staatliche Förderung nicht ersetzen, vielmehr will sie sie
dort ergänzen, wo es notwendig, sinnvoll und möglich erscheint. Sie ist
deshalb bestrebt, ihre bereits über 35 Jahre währende gute
Zusammenarbeit mit den Forschungeinrichtungen in Deutschland auch
zukünftig erfolgreich fortzuführen.

Über Novartis

Die Novartis AG (NYSE: NVS) ist ein weltweit führendes Unternehmen in
den Bereichen Pharmaceuticals und Consumer Health. Im Jahr 2004
erzielte der Konzern einen Umsatz von USD 28,2 Milliarden und einen
Reingewinn von USD 5,8 Milliarden. Der Konzern investierte rund USD 4,2
Milliarden in Forschung und Entwicklung. Novartis hat ihren Sitz in
Basel (Schweiz). Die Novartis Konzerngesellschaften beschäftigen rund
81 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 140 Ländern.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter http://www.novartis.de.

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