Wissenschaftlicher Pressedienst Chemie Nr. 26/15 der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)
Frankfurt a.M., 22. April 2015
Mikroplastik in Gewässern
Vorsorge oder Gefahrenabwehr?
Mikroplastik in Gewässern ist ein Thema,
das derzeit gleichermaßen in Wissenschaft und Gesellschaft intensiv
diskutiert wird. So nimmt sich auch die Wasserchemische Gesellschaft,
eine Fachgruppe in
der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), auf ihrer 81. Jahrestagung,
„Wasser 2015“, vom 11. bis 13. Mai in Schwerin unter anderem der
„Mikroplastik in aquatischen Systemen“ als zentralem Thema an. In fünf
Vorträgen und vier Posterbeiträgen werden Eintragspfade
von Mikroplastik in Gewässer vorgestellt und diskutiert, welche
Auswirkungen das hat und welche Ansätze einer Umweltbewertung erkennbar
sind. Dabei zeichnet sich bereits im Vorfeld der Tagung ab, dass es
sowohl gilt, Gefahren abzuwehren als auch Vorsorge zu
treffen, und zwar im Kontext wissenschaftlich-technischer,
ökologischer, ökonomischer und soziologischer Aspekte.
Kunststoffe,
auch Plastik genannt, sind wichtige Werkstoffe, die aus Haushalt und
Wirtschaft nicht mehr wegzudenken sind. Nach ersten zögerlichen Anfängen
ihrer Entwicklung im 19.
Jahrhundert begann Mitte des 20. Jahrhunderts der Siegeszug der
Kunststoffindustrie. Mittlerweile wurden mehrere hundert
Kunststoffsorten entwickelt und stetig werden neue Kunststoffprodukte
mit ganz unterschiedlichen technischen Eigenschaften auf den Markt
gebracht. Gerade diese Eigenschaften sind es aber, die sich absehbar
auch nachteilig auswirken können.
Nach
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) versteht man unter
Mikropartikeln alle Teilchen unter fünf Millimeter. Mikroplastikpartikel
können Bestandteil beispielsweise
von Kosmetika, Pflegeprodukten oder Reinigungsmitteln sein, sie können
sich aber auch aus größeren Plastikteilen bilden, die in der Umwelt
physikalisch, biologisch oder chemisch zer- und verkleinert werden. Im
Wasser schwimmende oder schwebende größere Plastikteile
sind nicht nur Umweltschützern seit längerem ein Dorn im Auge. Ein
Verheddern darin oder das Verschlucken kann für Tiere tödlich sein. Doch
Mikroplastik sieht man nicht unbedingt auf den ersten Blick, und selbst
wenn Tiere oder andere Organismen in der Lage
sind, die Teilchen wieder auszuscheiden: Sie gehören nicht in die
Natur. Und so gilt es, den Eintrag von Mikroplastikpartikeln zu mindern
und Verfahren zu entwickeln, Mikroplastikpartikel aus der Umwelt zu
entfernen. Dringend erforderlich ist auch eine Einschätzung
und Bewertung des Gefährdungspotenzials. Bislang völlig unbekannt ist
die Rolle von Klärwerken. Können diese Mikroplastik zurückhalten oder
entweicht sie mit dem geklärten Abwasser? Erste Untersuchungen zeigen,
dass Mikroplastik in durchaus großen Mengen die
Kläranlagen verlässt, aber eine spezielle Schlussfiltration installiert
werden kann, die dies verhindert.
Doch nicht nur
Kunststoffteile jeglicher Größe geben in der Umwelt zu denken – auch
ihre Additive oder zur Färbung verwendeten Pigmente. Die Tagung in
Schwerin zeigt, mit welchen
analytischen Methoden es Wissenschaftlern gelingt, Aussagen über Art
und Menge der Mikroverunreinigungen und anderer aus diesen Teilchen
stammender Stoffe zu treffen. Als ein Fallbeispiel für die Verschmutzung
von Süßgewässern mit Plastikpartikeln wurde der
Gardasee ausgewählt. Als ein Ergebnis konnte festgestellt werden, dass
beim Einsatz analytischer Methoden eine genauere
Partikelgrößenaufteilung vonnöten ist, um eine zuverlässige
Quantifizierung von (Mikro)Plastik durchführen zu können.
Kommt
Mikroplastik, wie einige Medien meldeten, mittlerweile auch im
Trinkwasser vor? Auch hier wird die Tagung deutlich machen, dass es
darüber kaum Erkenntnisse gibt. Bisherige
Studien sind kaum miteinander vergleichbar, da keine einheitliche
Methodik für Probenahme und Analytik existieren. Die bislang
vorliegenden Ergebnisse ermöglichen nur eine grobe Ersteinschätzung.
Danach dürften größere Mikroplastikpartikel mit den üblichen
technischen Filtrationsverfahren im Rahmen der Trinkwasseraufbereitung
zurückgehalten werden, für kleine Mikroplastikpartikel liegen noch keine
Informationen vor. Analogschlüsse zu anderen Mikropartikeln ähnlicher
Größenordnung sind wegen unterschiedlicher
Oberflächenbeschaffenheit unzulässig.
Weitere
Themenblöcke bei der „Wasser 2015“ sind u.a. Abwasser, Aufbereitung,
Meereschemie, Spurenstoffe, Trinkwasser und Hygiene. Weitere
Informationen
finden sich unter: www.gdch.de/wasser2015.
Die
Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 31.000
Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften
weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die
Wasserchemische Gesellschaft, 1926 als "Fachgruppe für Wasserchemie" im
Verein Deutscher Chemiker gegründet. 1948 erfolgte die Neugründung als
"Fachgruppe Wasserchemie" in der GDCh, seit 2000 heißt
sie "Wasserchemische Gesellschaft – Fachgruppe in der GDCh". Ihre
Mitglieder sind tätig für den wirksamen Schutz, die sinnvolle Nutzung,
die zweckmäßige Aufbereitung und Reinigung sowie die sachgemäße
Untersuchung und Beurteilung des Wassers. Ihr breites Themenspektrum
stellt die Wasserchemische Gesellschaft in diesem Jahr sowohl auf der
Jahrestagung als auch in der GDCh-Broschüre „HighChem hautnah –
Aktuelles aus der Wasserchemie“ vor, die zu Beginn der Tagung in
Schwerin erscheint und von allen Interessierten unter pr@gdch.de
zu beziehen ist.