Eisendüngung im Südpolarmeer

Durch Eisendüngung im Südpolarmeer könnte weniger Kohlendioxid in der Tiefsee gespeichert werden als bisher angenommen

Bremerhaven,
10. November 2014. Eine neue Studie zur natürlichen Eisendüngung im
Südpolarmeer zeigt, dass zusätzliches Eisen die Wirksamkeit der
sogenannten biologischen Pumpe, die Kohlendioxid aus den oberen
Wasserschichten in die Tiefsee transportiert, reduziert. Wie ein
internationales Forscherteam um Dr. Ian Salter vom
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung (AWI) herausfand, bedingt die Eisendüngung, dass sich
neben Phytoplankton auch Kalkschalen bildende Meeresbewohner vermehren,
welche sich von den Algen ernähren. Diese Tiere setzen Kohlendioxid
frei, wenn sie ihre Kalkschalen bauen. Wachsen und sterben diese
Lebewesen in einem Meeresgebiet mit einem hohen natürlichen
Eiseneintrag, werden dort bis zu 30 Prozent weniger Kohlendioxid in die
Tiefsee verfrachtet als bisher angenommen. Ein wichtiger Effekt: Wird er
ignoriert, hieße das, man überschätzt, wie viel Kohlendioxid der Ozean
bei Eisendüngung speichern kann. Die Studie erscheint heute im
Fachmagazin nature geoscience.

Zwischen dem Ozean und der
Atmosphäre herrscht ein reger Austausch des Treibhausgases Kohlendioxid.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei das Phytoplankton, denn die Algen
entziehen den oberen Wasserschichten Kohlendioxid. Stirbt das
Phytoplankton, kann es bis auf den Meeresgrund sinken und dort einen
Teil des Treibhausgases ablagern, den es zuvor durch Photosynthese
gebunden hatte. Diesen Prozess nennen Wissenschaftler die biologische
Kohlenstoffpumpe.

Obwohl die Wassermassen des Südpolarmeeres
gemeinhin als nährstoffreich gelten, gedeiht das Phytoplankton in
großen Bereichen des Südlichen Ozeans nur spärlich. Der Grund: Das
Wasser enthält zu wenig Eisen, als dass Algen großflächig wachsen
könnten.
Im Zuge des Klimawandels wird deshalb häufig die Idee
diskutiert, das Südpolarmeer mit Eisen zu düngen. Mit diesem Vorschlag
verbindet sich zum einen die Hoffnung, dass dadurch mehr Phytoplankton
wächst und somit die biologische Kohlenstoffpumpe angeregt wird. Zum
anderen glauben einige Wissenschaftler, damit erklären zu können, wie
sich der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre in der Vergangenheit
verändert hat.

Zwei Studien aus den zurückliegenden fünf Jahren
haben diese Annahme untermauert. Forscher konnten darin nachweisen, dass
infolge einer Düngung des Südpolarmeeres mit Eisen mehr Kohlendioxid
zum Meeresgrund gesunken ist. Aber: „Die bisher gemachten Untersuchungen
reichen nicht aus, um zu verstehen, welche Mengen Kohlenstoff unter dem
Strich wirklich gebunden werden. Der vom Phytoplankton verfrachtete
organische Kohlenstoff stellt nämlich nur ein Kapitel einer
ausgesprochen komplexen Geschichte dar“, sagt der AWI-Forscher Dr. Ian
Salter. „Das Phytoplankton dient auch als Nahrungsquelle für bestimmte
Zooplanktonarten wie Foraminiferen und Flügelschnecken, die Kalkschalen
bauen – ein Prozess, bei dem die Tiere Kohlendioxid freisetzen.“

Der
AWI-Wissenschaftler und seine Kollegen waren die ersten
Wissenschaftler, die den Tiefsee-Export der Kalkschalen in einem
natürlich gedüngten Gebiet erforscht haben. Dazu führten sie
Untersuchungen im Meer vor der Küste der Crozetinseln durch. An dieser
südöstlich von Afrika gelegenen vulkanischen Inselgruppe gelangt auf
natürliche Art und Weise Eisen in den Ozean – und das mit überraschenden
Folgen: Die natürliche Eisendüngung bewirkt, dass am Ende mehr
Kalkschalen in die Tiefsee gelangen als abgestorbenes Phytoplankton. Ein
Prozess, der tiefgreifende Auswirkungen darauf hat, wie viel
Kohlendioxid der Ozean bei verstärktem Algenwachstum speichern kann.

„Wenn
diese Kalkschalen entstehen und zum Meeresgrund sinken, beeinflussen
sie den Kohlendioxid-Haushalt der obersten Wasserschichten für Hunderte
bis Tausende von Jahren. Unsere Untersuchungen lassen vermuten, dass der
durch das Eisen angeregte Export der Kalkschalen dazu führt, dass in
einer natürlich gedüngten Meeresregion zehn bis 30 Prozent weniger
Kohlendioxid gespeichert wird als bisher angenommen. Wir wissen
allerdings nicht, ob dies auch der Fall wäre, wenn ein Gebiet künstlich
mit Eisen gedüngt wird“, erklärt Dr. Ian Salter.

Interessanterweise
stellten die Forscher bei ihren Untersuchungen außerdem fest, dass der
gestiegene Export von Kalkschalen nicht nur auf die größere Anzahl
kalkbildender Organismen zurückzuführen ist. „In unseren Proben aus den
Sedimentfallen haben wir vermehrt Arten gefunden, die größere
Kalkschalen bauen und somit jeweils auch mehr Kohlendioxid freisetzen“,
erklärt der Biogeochemiker. Eisendüngung wirkt sich somit auch auf die
Artenzusammensetzung eines Lebensraumes aus. Damit löst sie eine
Kettenreaktion aus, die schließlich das Klima beeinflussen kann. „Es ist
allerdings wichtig zu beachten, dass sich unsere Ergebnisse nur auf
eine bestimmte Region im Südpolarmeer beziehen. Die Effekte der
kalkbildenden Organismen können sehr unterschiedlich sein, je nachdem um
welche Art es sich handelt und wo im Ozean sie leben“, sagt Dr. Ian
Salter.

In Folgeprojekten will Dr. Ian Salter nun den Transport
von Phytoplankton und Kalkschalen bildenden Organismen in weiteren,
natürlich gedüngten Meeresgebieten untersuchen – zum Beispiel rund um
die Inselgruppen der Kerguelen und Südgeorgien sowie im Arktischen
Ozean, wo sich das zurückgehende Meereis zusätzlich auf die biologische
Kohlenstoffpumpe auswirken könnte.