Endokrinologen raten von Fernbehandlung via Internet ab

Endokrinologen raten von Fernbehandlung via Internet ab

Bochum – Mit der „Pille danach“ wird nach un geschütztem Sex eine Schwangerschaft verhindert. Die Standardbehandlung soll heute mit dem Progesteronrezeptor-Modulator Ulipristalacetat erfolgen, erklären führende Fachgesellschaften. Das nachträglich eingenommene hormonelle Verhütungsmittel verzögert den Eisprung und kann innerhalb von fünf Tagen nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Von Fernbehandlungen mit Verschreibungen der „Pille danach“ via Internet aus Großbritannien, wie jüngst in den deutschen Medien berichtet wurde, rät Professor Dr. med. Dr. h.c. Helmut Schatz, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ab und empfiehlt, besser einen Frauenarzt aufzusuchen, auch um sich beraten zu lassen.

Mehr als 400 000 mal verordnen Mediziner pro Jahr in Deutschland die „Pille danach“. Durch diese auch „postkoitale Kontrazeption“ genannte Methode werden zahlreiche ungeplante Schwangerschaften und eventuell darauf folgende Schwangerschaftsabbrüche verhindert. Derzeit sind in Deutschland zwei Wirkstoffe zugelassen. Professor Dr. med. Thomas Rabe, Präsident der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) e. V. und Mitglied der DGE aus Heidelberg: „Beide Substanzen, sowohl das Gestagenderivat Levonorgestrel als auch der Progesteronrezeptor-Modulator Ulipristalacetat sind wirksame und sichere Substanzen.“ Beide verzögern den Eisprung. Sie dürfen nicht mit der „Abtreibungspille“ verwechselt werden, die als Wirkstoff Mifepriston enthält und nur auf einem Sondervertriebsweg direkt über die Firma zugänglich ist.

Die DGGEF und der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) e. V. haben auf der Basis neuerer Studien ihre Stellungnahme zur Notfallkontrazeption aktualisiert. Nicht mehr Levonorgestrel, sondern Ulipristalacetat ist der neue Standard für die Notfallkontrazeption. Professor Dr. Thomas Strowitzki, Ärztlicher Direktor der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg erläutert: „Grund für die neue Bewertung ist die überlegene Wirkung von Ulipristalacetat“. Das ergab eine gepoolte Analyse zweier Vergleichsstudien an insgesamt 3.368 Frauen. Ulipristalacetat hat eine Wirksamkeit von etwa 75 bis 84 Prozent, Levonorgestrel von 52 bis 69 Prozent. Dabei ist die Wirkung abhängig vom Zeitpunkt der Einnahme. „Je früher die Einnahme erfolgt, dest o mehr ungewollte Schwangerschaften können verhindert werden“, ergänzt das DGE-Mitglied.

Beide Stoffe wirken ähnlich, sie greifen in das Hormonsystem Hirnanhangdrüse/Eierstöcke ein und verzögern den Eisprung. Über eine sogenannte negative Rückkopplung wird die Produktion des Luteinisierenden Hormons (LH) in der Hypophyse, das den Eisprung auslösen kann und die Gelbkörperbildung fördert, gehemmt, der LH-Peak verhindert (selbst wenn dieser bereits begonnen hat) und der Eisprung verschoben. Die verzögerte Ovulation erfolgt etwa fünf Tage später . Spermien überleben im weiblichen Genitaltrakt aber nur drei bis fünf Tage. Damit ist genug Zeit gewonnen, um das „fruchtbare Zeitfenster“ zu schließen. Es handelt sich somit um kei ne Mittel, das einen Frühabort eines befruchteten Eies auslöst oder dessen Einnistung, die „Nidation“ in die Gebärmutterschleimhaut verhindert, wie es durch das Einsetzen einer kupferbeschichteten „Spirale“ in die Gebärmutter bewirkt wird.

Anders als Levonorgestrel kann Ulipristalacetat bei bereits ansteigendem LH-Spiegel und einer Follikelgröße von 18 mm den Eisprung noch verschieben. „Aufgrund dieser überlegenen Wirksamkeit ist Ulipristalacetat das Mittel der ersten Wahl in der Notfallkontrazeption“, so Professor Rabe. In Deutschland ist Levonorgestrel als „Pille danach“  nicht rezeptfrei erhältlich, anders als in vielen europäischen Ländern. Das deutlich sicherer wirkende Ulipristalacetat ist generell rezeptpflichtig. Die Hormonexperten raten ab, eine „Pille danach“ über das Internet zu bestellen. Auf das Konsultieren eines Arztes sollten Frauen aus Sicherheitsgründen nicht verzichten, um sich bezüglich der Anwendung und über mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Menstruationsbeschwerden wie Schmierblutungen oder Unregelmäßigkeiten der Monatsblutung zu informieren. Es gibt auch Kontraindikationen, das heißt Zustände, wo die „Pille danach“ erheblich schaden kann, wie etwa bei schweren Lebererkrankungen oder bei einer bereits bestehenden, bislang noch nicht bekannten Schwangerschaft. Daher sollte besser sofort ein Frauenarzt oder eine Notfallstation aufgesucht werden.